Annemirl Bauer, Illustration: Eva Feuchter
Illustration: Eva Feuchter

Annemirl
Bauer

Malerin, 1939 – 1989 

FrauenOrt in Mühlenfließ

Gesehen, betrachtet, durchschaut. Die schwerhörige Malerin Annemirl Bauer hatte eine scharfe Beobachtungsgabe. Ihre Bilder erzählen Geschichten, beziehen Stellung, kritisieren, parodieren und berühren.

Annemirl Bauer

Die Tochter einer Malerin und eines Fotografen wurde 1939 in Jena geboren. Sie studierte an der Fachschule für angewandte Kunst in Sonneberg und wurde Spielzeuggestalterin, später lernte sie an der Dresdener Kunstakademie und an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee.

1969 brachte sie ihre Tochter zur Welt. Und während sie in ihrer feuchten Ladenwohnung malte und malte, stand manchmal der Kinderwagen auf dem Gehweg mit einem Zettel „Bitte nicht füttern“. Die Nachbar*innen, so heißt es, zogen das Kind mit groß. 1976 zog Annemirl Bauer mit der inzwischen 7-Jährigen in ein baufälliges Pfarrhaus in Niederwerbig, behielt jedoch das Atelier in Berlin. 

Unbändige Künstlerin 

Annemirl Bauer hatte einen unbändigen Drang zu malen. Rund 16 000 Werke sind erhalten. Wenn sie mit 15 Jahren begonnen hätte, wären pro Jahr etwa 460 Bilder entstanden. Tuschezeichnungen, Gouachemalereien, Collagen, Ölgemälde, Bild-Text-Kombinationen. Jedes Bild erzählt Geschichten, die meisten zeigen Menschen, oft Frauen. Die Kritik an männlicher Vorherrschaft ist allgegenwärtig.

Vielen Werken gab sie provokative Namen, die sie in dicker Farbe mit aufs Papier oder die Leinwand malte. Sofern es eine Leinwand war, denn Annemirl bemalte auch Alltagsgegenstände. Türen, Spiegel, Bügel- und Waschbretter, sogar Teppiche machte sie sich zum Maluntergrund. Zum Teil, um die Dinge zu verwandeln, zum Teil aus Not, denn Geld war knapp.

„Über das Weibliche möchte ich sprechen, weil ich in einer männlichen Welt lebe, wo das weibliche Sein so gut wie nicht sichtbar ist.“

Annemirl Bauer (1)

Idealistisch und unbeugsam 

Annemirl Bauer glaubte an die DDR. Soziale Gerechtigkeit statt Ausbeutung, Sozialismus statt Faschismus, daran wollte sie gern mitwirken. Ihre Aufgabe als Künstlerin sah sie darin, auf Missstände rechtzeitig aufmerksam zu machen. Und diese Aufgabe nahm sie ernst. Sie kritisierte die Wehrpflicht für Frauen , den Umgang mit kritischen Künstler*innen, die Teilung Berlins und vor allem die Einschränkung der Reisefreiheit – in ihren Bildern, aber auch in persönlichen Briefen an politisch einflussreiche Menschen.

Das Engagement kam nicht gut an. Sie wurde zeitweise aus dem Verband Bildender Künstler der DDR ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Die Stasi organisierte Zersetzungsmaßnahmen wie Steuernachforderungen, Einbrüche und Vandalismus in Wohnung und Atelier. Es wurde ihr nahegelegt, die DDR zu verlassen, doch Annemirl Bauer lehnte ab. Sie starb 1989, 50-jährig, wenige Monate vor dem Mauerfall. 


FrauenOrt Annemirl Bauer in Mühlenfließ

Dorfstraße 10, 14822 Mühlenfließ OT Niederwerbig, Lebens- und Arbeitsort von Annemirl Bauer 

52.11320°N, 12.78779°E / Google Maps / OpenStreetMap

Weiterführende Links, Literatur & Podcast

rbb-Podcast Clever Girls: rebellisch, feministisch, wegweisend

Annemirl Bauers Webseite

Zeit Online: Die Madonna vom Prenzlauer Berg

Kunstaspekte: Annemirl Bauer – Über das Weibliche

Downloads

FrauenOrte Tafel von Annemirl Bauer (PDF)


Fußnoten & Quellenangaben

  1. Annemirl Bauer in den 1980er-Jahren, abgedruckt in: Amrei Bauer (Hg.): Annemirl Bauer. Zeichnungen. Berlin 2007, Katalog zur Ausstellung im Museum Junge Kunst. S. 19.

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