Marjana Domaškojc (Marianne Domaschke)
Illustration: Noa Snir

Marjana Domaškojc

Niedersorbische Fabrikarbeiterin und Dichterin, 1872 – 1946

FrauenOrt in Zahsow/Cazow
Gedicht: Škobrjonk (1925)

Vom Webstuhl übers Land zum Schreiben. Marjana Domaškojc arbeitete Jahrzehnte als Textilarbeiterin in der Fabrik. Als Autodidaktin begann sie mit über 50 Jahren, niedersorbische Gedichte und Theaterstücke zu schreiben.

Marjana Domaškojc

Marjana Domaškojc (dt. Marianne Domaschke) wurde 1872 im niedersorbischen Dorf Zahsow/Cazow geboren. Die Familie lebte im regionaltypischen Wohn-Stall-Gebäude der Großeltern, eine kleine Landwirtschaft diente der Selbstversorgung.

Mit 14 Jahren begann Marjana in einer Textilfabrik im gut fünf Kilometer entfernten Cottbus/Chóśebuz zu arbeiten. Morgens und abends je eine Stunde Fußweg, dazwischen Schichten von anfangs zwölf Stunden, zusätzlich die Mitarbeit in Hof und Haushalt. Das alles sechs Tage die Woche. Später erleichterte ein Fahrrad den Arbeitsweg. „Wie der Leibhaftige“ sollen die beiden Schwestern Domaškojc in ihrer Tracht über die sandigen Wege gefahren sein.

Mit der älteren Schwester Liza Domaškojc verband Marjana eine enge Beziehung. Beide arbeiteten Jahrzehnte in der Fabrik, blieben unverheiratet, liebten Blumen, Kakteen und Tiere und lebten bis zu Lizas Tod zusammen. Sie galten als energisch und politisch engagiert, zugleich traditionsbewusst und sehr religiös. Als die Mutter nach dem Tod des Vaters erkrankte, blieb Liza ab 1916 zuhause und sorgte für Tiere, Haushalt, Feld und Garten, während Marjana mit der Fabrikarbeit das nötige Geld verdiente.

Niedersorbische/Wendische Dichterin

Trotz der langen Arbeitstage begannen beide Schwestern mit über 50 Jahren zu schreiben – ermutigt durch die befreundete Redakteurin Mina Witkojc, die auch für die Veröffentlichung in sorbischen/wendischen Buchkalendern und Zeitschriften sorgten.

Marjana schrieb Gedichte und autobiografische Texte, geprägt von Bildern und Gleichnissen aus der Natur- und Pflanzenwelt. 1929 vollendete sie ihr erstes Theaterstück „Z chudych žywjenja“ („Aus dem Leben der Armen“). Es thematisiert die Umbrüche und Konflikte, die die Industrialisierung in einem niedersorbischen Dorf ihrer Zeit mit sich brachte. Das Stück wurde in Deutschland nicht aufgeführt, jedoch von einem befreundeten Kollegen ins Tschechische übersetzt. Die einzigen Aufführungen fanden in der Tschechoslowakei statt, eine davon 1932 in Prag, zu Marjana Domaškojc 60. Geburtstag.

„Gefährliche Sozialdemokratin“

Während des Nationalsozialismus wurde die sorbische/wendische Kultur zunächst toleriert, bald jedoch als „minderwertig“ bekämpft. Von Marjana Domaškojc verlangten die Nationalsozialist*innen, ihr Theaterstück umzuschreiben. Die positive jüdische Figur des Aaron sollte ins Negative verkehrt, die Sozialkritik abgemildert werden. Die Autorin weigerte sich. Die Gestapo ließ Marjana mehrmals verhören und ihr Haus durchsuchen, sie beobachtete argwöhnisch ihre Reise nach Prag und führte sie als „gefährliche Sozialdemokratin“. Auch das zweite Stück blieb in der Lausitz unaufgeführt, weitere Manuskripte wurden vermutlich beschlagnahmt.

Während der DDR-Zeit wurde Marjana Domaškojc als Arbeiterschriftstellerin rezipiert und gewürdigt. Bis heute zeigt ihr Werk eine Perspektive der niedersorbischen Landbevölkerung und Fabrikarbeiter*innen um 1900, von der es wenig schriftliches Zeugnis gibt.

Netzwerkerin abseits des Dorfplatzes

Marjana und Liza Domaškojc waren in Zahsow/Cazow wahrscheinlich eher Außenseiterinnen. Zwei unverheiratete, kinderlose Frauen, die etwas außerhalb des Dorfes lebten, mit dem Fahrrad zur Fabrik fuhren und niedersorbische Literatur verfassten: Das war ungewöhnlich.

Beide waren jedoch anderweitig vernetzt. Sie waren in der Gewerkschaft und im sorbischen/wendischen Kulturverein Maśica Serbska aktiv. Mit mehreren wendischen Aktivist*innen pflegte Marjana Domaškojc Briefwechsel und zur Aufführung ihres ersten Theaterstückes reiste sie gemeinsam mit Gleichgesinnten nach Prag. Gut befreundet waren die Schwestern mit der wendischen Trachtenschneiderin Pawlina Krawcowa sowie mit der Schriftstellerin Mina Witkojc, die teils auch länger bei ihnen zu Besuch war.


Gedicht: „Škobrjonk“ (1925)

Gedicht von Marjana Domaškojc, hohe Stimme

Eingesprochen von Jadwiga Kaulfürst, Domowina – WITAJ Sprachzentrum

Gedicht von Marjana Domaškojc, tiefe Stimme

Eingesprochen von Fabian Kaulfürst, Sorbisches Institut / Serbski institut


FrauenOrt Marjana Domaškojc in Zahsow/Cazow

Dorfgemeinschaftshaus, Dorfaue 9F, 03099 Kolkwitz OT Zahsow/Cazow, Wohnort von Marjana Domaškojc

51.771800, 14.261907 / Google Maps / OpenStreetMap

Weiterführende Links & Literatur

Marjana Domaškojc im Virtuellen Lesesaal des Sorbischen Instituts / Serbski institut

Artikel (2024): Zwei neue Handschriften von Marjana Domaškojc gefunden

Grabkreuz für Marjana Domaškojc auf dem Friedhof Zasow/Cazow

Downloads

FrauenOrte Tafel von Marjana Domaškojc

Nachlassfragment von Marjana Domaškojc im Sorbischen Institut / Serbski institut