Bilillee Machbuba - Illustration: Patricia Vester
Illustration: Patricia Vester

Bilillee
Machbuba

ca. 1825-1840

FrauenOrt in Cottbus

geboren, genannt, geliebt. gelernt, gelacht und gesungen. geschrien, gefangen, genommen. geweint, gewimmert, gezwungen. gestellt. geschämt. gekauft.
Bilillee wurde als Kind versklavt. Sie starb 1840 in Muskau, 15 oder 16 Jahre alt.

Bilillee Machbuba

Sie war Oromo, Tochter und Schwester. Schülerin, Freundin und Heilerin. Verschleppte, Versklavte, Vorgeführte. Ahnin und Vorfahrin. Gewalt- und Suizidüberlebende.

Geboren ungefähr 1825 in Abessinien, im heutigen Äthiopien. Etwa 1836 wurden ihre Eltern ermordet. Bilillee wurde gefangen genommen, versklavt und verschleppt. Hunderte Kilometer Richtung Norden. Verkauft im Februar 1837, auf einem Sklavenmarkt in Kairo oder Khartum.


Herrmann von Pückler-Muskau war 52 Jahre alt, hatte seinen Sitz in Muskau und Branitz und war zu diesem Zeitpunkt auf einer mehrjährigen Reise. Er kaufte mehrere Kinder, darunter Bilillee. Schlief mit ihnen in einem Raum, sprach in einem Brief an Lucie von Hardenberg von seinem „kleinen Harem“. (1) Bilillee erhielt in diesen Briefen besonders viel Aufmerksamkeit. Er nannte sie Machbuba, arab. „Geliebte“ und nahm sie mit auf eine dreijährige Reise, von Ägypten über Österreich bis nach Muskau. Für europäische Adlige dieser Zeit waren Schwarze Bedienstete ein Statussymbol. Oft, wie Bilillee, sexuell ausgebeutet.

Was wissen wir heute von Bilillee?

Vieles wissen wir nicht. Woher kam sie genau? Wer war ihre Familie? Wie überlebte sie die Verschleppung, wie lange war sie durch die Wüste unterwegs? Was erlebte sie in Wien, als sie für einige Zeit ein katholisches Mädcheninternat besuchte? Hatte sie Freundinnen?

Wie erlebte sie es, den Adligen vorgeführt zu werden, in exotisierender Kleidung, als Reiterin, als Reisesouvenir? War sie angewidert oder stolz, konnte sie sich selbst überhaupt noch spüren? Wovon träumte sie, was vermisste sie am meisten? Woher nahm sie das Selbstbewusstsein, mit dem sie Pückler manchmal entgegentrat?

Lernende, Reisende, Heilerin

Gelauscht und gelernt. Bilillee. Sie hörte gut zu als Kind, lernte, bewahrte, erinnerte sich. Noch in den Wochen vor ihrem Tod trug sie dem sorbischen Pfarrer Georg Liebusch Oromo-Lieder aus ihrer Kindheit vor. Die Texte gingen verloren, von 120 Liedern war die Rede, die heute ein wertvolles äthiopisches Kulturerbe wären.

Drei Jahre nahm Pückler sie mit, entlang des Nils und durch Österreich. Sie lernte Italienisch, Schreiben und Rechnen. Als Pückler erkrankte, übernahm sie seine Buchhaltung und pflegte ihn. Sie erinnerte sich an die Heilkunst ihrer Vorfahren, es hieß, er habe ihr sein Leben zu verdanken. Half sie aus Angst? Aus Mitgefühl? Aus Zuneigung? Hatte sie eine Wahl?

gesprungen. geblieben. gegangen.

Aus dem Fenster gesprungen. Zweimal. Entschlossen, sich das Leben zu nehmen. Misslungen. Oder gerettet? Der zweite Versuch in Muskau. 1940 kam sie dort an, sehr krank, sehr geschwächt. Blieb sechs Wochen und starb. Zwei Dienerinnen und ein Arzt waren noch da. Pückler weilte in Berlin. Kam nicht.

Dafür, so heißt es, sei die halbe Stadt ihrem Begräbnis gefolgt. Ihre Geschichte muss bekannt gewesen sein. Etwas berührt haben. Vielleicht ein Gefühl der Verbundenheit. Die Bevölkerung war überwiegend sorbisch. Auch ihre Freiheit reichte nicht weit in der Zeit.

Wer schreibt? Wer forscht? Was wird überliefert?

Bilillee war eine von vielen Schwarzen Menschen, die im 17. und 18. Jahrhundert versklavt und an europäischen Höfen ausgebeutet wurden. Wie wird ihre Geschichte heute erzählt? Pückler lebte zum Teil von seinen Reiseberichten. Er war der Erste, der über sie schrieb – und damit auch über sich selbst. Jedoch nicht als Sklavenhalter, nicht als sexuell Ausbeutender, stattdessen schuf er das Narrativ einer Liebesgeschichte.

Diese Geschichte verkaufte sich gut, wurde lange vermarktet, verteidigt und konsumiert. In Büchern, Artikeln und Vorträgen, die sie Machbuba nennen, die sie und Pückler als Liebespaar erzählen. Bilillee als Pücklers Geliebte? Ein Mädchen, das er als seine „Maitresse“ (2) gekauft hatte, als sie 10, 11 oder vielleicht 12 Jahre alt war? Dieses Narrativ wird heute korrigiert. Und erinnert an die wichtige Frage: Wer entscheidet, welche Geschichte erzählt wird?

Bilillee. Gestorben 1840 in Muskau. Wie wollen wir heute an sie erinnern?


FrauenOrt Bilillee Machbuba in Cottbus

Campus der BTU Cottbus-Senftenberg

Konrad-Wachsmann-Allee 6-8, 03046 Cottbus

51°46’02.6″N 14°19’20.8″E / Google Maps / OpenStreetMap

Weiterführende Links & Literatur

Patricia Vester 2024: gelebt. Das kurze Leben der Bilillee Ajiamé Machbuba (Graphic Novel, SPSG)

Natasha A. Kelly 2023: Schwarz. Deutsch. Weiblich. Warum Feminismus mehr als Geschlechtergerechtigkeit fordern muss, Piper.

Jeff Bowersox: Machbuba (ca. 1825-1840), in: Black Central Europe

Downloads

FrauenOrte-Tafel von Bilillee Machbuba (PDF)


Fußnoten & Quellenangaben

  1. Ludmilla Assing-Grimelli: Fürst Hermann von Pückler-Muskau. Eine Biographie. Hildesheim 2004, S. 118.
  2. Ebd., S. 118 f.